Wir freuen uns, auch diesem Jahr wieder ein Stück entwickelt zu haben, von
dem wir hoffen, daß es Ihnen gefällt, zu Denken gibt und das vermittelt,
was uns nahezu ein ganzes Schuljahr, Woche für Woche, beschäftigt hat.
Die diesjährige Produktion läßt sich zwar auch wieder dem Oberbegriff
"Experimentelles Theater" zuordnen, weist aber im Gegensatz zu unseren
beiden vorherigen Stücken "Rien na va plus" und "Spektakel
in der Hölle" einen gravieren den Unterschied auf. Während wir
uns bisher immer mit abstrakten, phantastischen Stücken beschäftigt
hatten, in denen wir uns mit den unterschiedlichsten Themen meistens eher heiter
als ernst auseinandergesetzt hatten, fanden wir es nunmehr an der Zeit, ein Stück
zu erarbeiten, das über einen diffusen Unterhaltungsanspruch hinausgeht.
Wir wollten uns also einen inhaltlich Schwerpunkt setzen (der einem ganz konkreten
Thema zugrunde liegt).
Das wir in diesem ureigenen Interesse ausgerechnet auf das Thema Psychiatrie gestoßen
waren, mag vielleicht ein Zufall gewesen sein, kann andererseits aber auch als
die logische Konsequenz der vorangegangenen Ereignisse gedeutet werden. So trafen
wir, eine ca. 18- köpfige Truppe, uns seit Schuljahresbeginn regelmäßig
dienstags in der Aula und probierten über die unterschiedlichsten Improvisationen,
zu den unterschiedlichsten Themen, die unterschiedlichsten Szenen aus, ohne jedoch
in unserem Anliegen nach einem klaren Konzept wirklich weiter zu kommen. Besonders
die Improvisationsthemen wie Angst, Isolation, Einsamkeit, Alpträume und
Abnormität hatten es uns angetan, ließen uns andererseits aber auch
fast verzweifeln, da uns einfach der so naheliegende Rahmen (für unser Stück)
nicht einfallen sollte. Bis zu jenem denkwürdigen Dienstag, an dem eine kleine
Schar der Aufgewecktesten unter uns, den anderen eine Szene präsentierte,
die in einer Irrenanstalt spielte, und sich schnell als die Lösung all unserer
bisherigen Probleme herauskristallisieren sollte. Endlich, wir hatten ein Thema
gefunden, und wieder begaben wir uns voll Euphorie an die Arbeit, um bald schon
wieder ernüchtert feststellen zu müssen, daß, je intensiver wir
uns mit dem Thema anfreundeten, desto schwieriger es uns erschien ein Stück
daraus zu entwickeln, das weder oberflächlich bzw. klischeehaft, noch langweilig
bzw. bedrückend sein durfte. Psychiatrie, oh du wunderbar umstrittenes Streitthema
aller Gelehrten, wie verdammt nochmal ist es möglich, dir vollkommen gerecht
zu werden, ohne daß sich irgendjemand auf den Schlips getreten fühlt.
Eine Thematik zudem, die irgendwann schon jeder größere Zeitgenosse,
angefangen von Dürrenmatt über Ken Kesey bis hin zu Thomas Mann, inspiriert
hat. deren Behandlung es galt zu ignorieren, um den Vorwurf eine Kopie, eines
Plagiats auszuräumen. Nichtsdestotrotz wir wollten es, und wir haben es gewagt.
Da es in diesem Fall unmöglich war, allein von der eigenen Phantasie auszugehen,
entschlossen wir uns, uns auf verschiedene Weise konkret mit der Realität
der psychiatrischen Anstalten in Deutschland auseinander zu setzen.
Wird in der traditionellen Psychiatrie wirklich geheilt, oder dienen diese Gebäude
vielmehr der Kontrolle, der Aufbewahrung und der Isolation der betroffenen Menschen
vor der übrigen Gesellschaft ? Sind Irrenhäuser Ghettos für Menschen,
die für diese Gesellschaft eine Gefahr darstellen, so daß man sie einsperren
muß ? Oder, ist es ratsam, diese Anstalten zu schließen und die psychisch
Kranken in die Gesellschaft, in das Alltagsleben, aufzunehmen ? Fragen, die sich
uns stellten, für die wir aber auch keine klaren Antworten bieten wollten.
Die meisten von uns fuhren, um einen Einblick in diese Problematik zu bekommen,
in die Landesklinik Köln?Merheim, studierten die Verhaltensweise dort, drängen
vereinzelt sogar auf geschlossene Stationen vor, da plötzlich und aus heiterem
Himmel ein Freund selbst an diese Klinik eingeliefert worden war und diskutierten
die Erlebnisse hinterher in der Gruppe. Andere führten Gespräche mit
Psychiatern, suchten Beschwerdezentren auf oder beschäftigten sich mit Fachliteratur.
Diese Eindrücke liegen diesem Stuck zugrunde. Wir lernten, daß Verrückte,
wie wir sie uns bisher vorgestellt hatten, eine verschwindende Minderheit sind.
Die Vorstellungen also, daß Menschen sich für Napoleon halten, Zahnbürsten
an der Leine führen und als ihren Hund ausgeben oder glauben, 1a fliegen
zu können entpuppten sich all reichlich plumpe Klischeebilder. die in diesem
Stück allerdings auch berücksichtigt werden. Denn es erscheint uns auch
wichtig, einmal das darzustellen, was in den Köpfe. der meisten Leute zum
Thema "Verrücktsein" assoziiert wird, um dieses Bild mit dem Bild
von "Verrückten" zu konfrontieren, wie wir sie in Merheim und anderswo
erlebt haben. Unser Anliegen ist es, zum Nachdenken anzuregen und zur Toleranz
aufzurufen. Wir wollen den Begriff der Normalität zur Diskussion stellen,
bieten aber in der Auseinandersetzung mit der Psychiatrie keine Antworten auf
die vorher gestellten Fragen oder Alternativen an.
Den Anspruch auf Vollständigkeit oder Objektivität weisen wir ebenfalls
von uns, da es zu viele Aspekte in dieser Diskussion gibt, denen wir nicht gerecht
werden wo wollen und können. Einige Darstellungen werden Ihnen wahrscheinlich
reichlich über zogen oder bewußt lächerlich machend vorkommen,
dies ist aber dennoch kein Kompromiß an die Komik? und Unterhaltungswartungen
des Publikums.
Wir wollen uns nicht über Verrückte belustigen, sondern ein äußeres
Erscheinungsbild erhellen, bei dem die inneren Ursachen und die individuelle.
Krankengeschichten vielfach im Dunkeln bleiben. Es bleibt die Hoffnung, daß
wir nicht mißverstanden werden!
Eine erste negative Reaktion unseres vermeintlichen Publikums mußten wir
bereits zur Kenntnis nehmen, als 11 Damen der Theater gemeinde unser Stück
für eine Schülertheaterwoche in der Schlosserei als zu bedrückend
und provokant ablehnten.
Daher ist unsere Ungewissheit und Spannung über die Reaktion unseres Publikums
heute abend ganz besonders groß, da wir noch völlig im Unklaren darüber
sind, wie ein solches Thema verstanden und aufgenommen wird. Wie es aber auch
immer kommen mag, wir hatten unseren Spaß, haben neue Freunde gefunden und
alte besser kennen gelernt und freuen uns schon jetzt auf unser nächstes
Projekt, an dem hoffentlich noch viele neue Gesichter mitmachen werden.
Roland Eschner
Nach der Aufführung
wollen wir auf dem Schulhof mit den Zuschauern FEIERN; ESSEN, TRINKEN ÜBER
DAS STÜCK REDEN ...
Der Unkostenbeitrag für Essen und Trinken beträgt für Schüler
3,-DM und für Erwachsene 5,-DM
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